Jazzforschung im deutschsprachigen Raum.
Themen, Methoden, Perspektiven
21./22. September 2018, Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar
Seminarraum 1, Hochschulzentrum am Horn, Carl-Alexander-Platz 1
Der Eintritt ist frei! Um Voranmeldung wird gebeten unter:
jazzforschung@hfm-weimar.de
Obwohl die kritische Auseinandersetzung mit Jazz bis in die 1920er Jahre zurückreicht, etablierte sich eine wissenschaftliche Jazzforschung im deutschsprachigen Raum erst im Laufe der 1960er und 1970er Jahre. Einflussreich waren hierbei das 1965 gegründete Institut für Jazzforschung in Graz oder das international rezipierte Free Jazz-Buch von Ekkehard Jost aus dem Jahre 1975. In den vergangenen Jahren hat sich nun in der deutschsprachigen Jazzforschung ein Generationswechsel vollzogen, der auch zur Erschließung neuer Forschungsthemen und Forschungsansätze geführt hat. So rücken einerseits die globalen Dimensionen des Jazz, die über die US-amerikanische Jazztradition hinausweisen, zunehmend ins Zentrum des Interesses. Ander-erseits eröffnen die in den 1990er Jahren entstandenen US-amerikanischen ‚New Jazz Studies‘ neue Perspektiven der Auseinander-setzung mit dem Phänomen Jazz. Die Tagung versteht sich als eine offene Bestandsaufnahme der Jazzforschung im deutschsprachigen Raum. Durch eine Diskussion von Themen, Methoden und Desideraten der aktuellen wissenschaftlichen Auseinander-setzung mit Jazz sollen neue Forschungs-perspektiven eröffnet werden. In einer Podiumsdiskussion sollen zudem Potenziale des ‚künstlerischen Forschens‘ für die Jazzforschung und die Jazzausbildung reflektiert werden.
Die öffentliche Tagung findet am 21. und 22. September an der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar, Hochschulzentrum am Horn, statt. Das Rahmen-programm umfasst einen Einführungs-Workshop zur Analyse-Software MeloSpyGUI des Jazzomat Research Project (20.9.) und eine Exkursion ins Lippmann+Rau-Musikarchiv nach Eisenach (22.9.).
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Programm
Freitag, 21. September
9:15 Martin Pfleiderer, Weimar
Begrüßung
Themen
9:30 André Doehring, Graz
The shape of jazz studies to come? Überlegungen zu Anforderungen, Inhalten und Zielen der Ausbildung von JazzforscherInnen
Abstract und Bio
Die akademische Landschaft zur Ausbildung von JazzforscherInnen im deutschsprachigen Raum ist, um es positiv zu formulieren, gut zu überblicken. Es gibt lang zurückliegende Wurzeln (etwa im Grazer Falle bis 1965), neue Schwerpunkte wurden auf-, aber auch bestehende aus diversen Gründen abgebaut.
Angesichts eines nie dagewesenen Hochs von Studierendenzahlen und trotzdem punktuell zu beobachtender sinkender AbsolventInnenzahlen in jazzbezogenen Studiengängen überlegt dieser Vortrag, wie ein Curriculum – freilich und stets ein Dokument von orts-, aber eben auch zeitbezogenen Macht- und Personalstrukturen – entworfen sein sollte, um interdisziplinären Ansprüchen der internationalen (New) Jazz Studies, praxisbezogenen Verständnissen und Bedürfnissen von MusikerInnen und HörerInnen sowie nicht zuletzt den Erwartungen der Studierenden vor dem Hintergrund eines neoliberalen – auch: akademischen – Markts zu begegnen. Insbesondere die Frage nach den Zielen der Ausbildung greift an den Kern des Selbstverständnisses hiesiger Jazzforschung; die Diskussion verschiedener Antworten darauf versteht sich als eine Anregung, Potentialitäten und Bedeutung der JazzforscherInnenausbildung bildungs- wie kulturpolitisch ernst zu nehmen.
André Doehring (Dr. phil.) ist Professor für Jazz- und Popularmusikforschung an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz, wo er das Institut für Jazzforschung leitet. Zuvor arbeitete er am Institut für Musikwissenschaft und Musikpädagogik in Gießen und lehrte an Universitäten in Deutschland und Österreich. Er ist Vorstand der Internationalen Gesellschaft für Jazzforschung und der Gesellschaft für Popularmusikforschung, Herausgeber von u.a. Jazzforschung / Jazz Research (seit 2017), Beiträge zur Popularmusikforschung Vol. 44 oder dem Online-Journal SAMPLES (seit 2004). Gegenwärtig bereitet er die Rhythm Changes Conference VI: Jazz Journeys vor, die im April 2019 in Graz stattfinden wird.
10:15 Mario Dunkel & Mischa van Kan, Oldenburg
Transnational Perspectives on Jazz in Germany
Abstract und Bio
New jazz studies has influenced both the scope of the field and the methodological approach to the study of jazz. Notably, its notion of jazz as culture and its focus on jazz cultures outside of the US have transformed jazz research. This new interest in non-US jazz, however, is often limited to contacts between individual nations and American jazz. Recent historical overviews are examples of this, such as Francesco Martinelli’s The History of European Jazz and Walter van de Leur’s forthcoming Oxford History of Jazz in Europe, which are divided into chapters on individual nations rather than providing a thoroughly transnational approach to jazz history.
While these approaches provide the possibility to compare and contrast developments in European jazz scenes, they are also limited by their national perspective on the phenomenon of jazz in Europe. This paper problematizes this national focus in jazz studies. It will suggest a methodology to jazz research that will enable the study of jazz as a transnational phenomenon that was not limited to one-way traffic from the US to individual countries. Focusing on the example of musical transfers and collaborations between jazz cultures in Germany and other European nations, this paper will detail the aesthetic and cultural significance of intra-European contacts in jazz. It will concentrate on interactions between Germany, Sweden, and the Netherlands in order to illustrate the extent to which the history of jazz in Europe needs to be thought of as a transnational phenomenon that contributed substantially to the formation of jazz identities and cultures within Europe that reach beyond the identification with nation states.
Mario Dunkel studierte in Dortmund, Atlanta und New York Musik, Englisch und Amerikanistik. 2014 promovierte er mit einer Dissertation zu Darstellungen von Jazzgeschichte an der TU Dortmund. Er ist zurzeit Juniorprofessor für Musikpädagogik am Institut für Musik der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Konstruktionen und Darstellungen von Jazzgeschichte, Transkulturalität, auswärtige Kulturpolitik und historische Musikpädagogik. Seine Artikel sind u.a. in den Fachzeitschriften American Music, European Journal of Musicology und Popular Music and Society erschienen.
Mischa van Kan is a postdoctoral fellow within the interdisciplinary Bernadotte programme. His research has dealt with transnational movements of jazz with a specific focus on movements to and from Sweden, such as the dissemination and reception of Swedish jazz in the US and transnational contacts in jazz in Northwestern Europe. He also works with jazz and media, as he analyses the development and importance of record covers for jazz in Sweden in his current postdoc project.
Kaffeepause
11:30 Magdalena Fürnkranz, Wien
Zur Situation von Instrumentalistinnen im österreichischen Jazz
Abstract und Bio
Jazz wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem bedeutenden Teil der österreichischen Musikkultur. Österreich war das erste europäische Land, das Jazz innerhalb der Wissenschaft institutionalisierte. Bereits 1965 gründete die „Akademie für Musik und darstellende Kunst Graz“ eine Jazzabteilung. Die überwiegende Mehrheit der Studierenden war männlich. Auch im 21. Jahrhundert ist der Beruf „Jazzmusiker/in“ ein von Männern dominiertes Feld. Ein Blick auf Instrumentalistinnen in der Jazzszene stellt geschlechtsspezifische Fähigkeiten, Verantwortlichkeiten und Identitäten in Frage. Jazz-Instrumente werden in „männliche“ und „weibliche“ Kategorien unterteilt. Doch die österreichische Jazzszene konnte bereits in den 1950er Jahren eine Musikerin vorweisen, die ein für Frauen „untypisches“ Instrument spielte. Die in Wien geborene Vibraphonistin Vera Auer (1919-1996) war eine der ersten europäischen Jazzmusikerinnen, gilt jedoch rückblickend als Ausnahme in der Historiographie des österreichischen Jazz.
Der Vortrag soll sich mit der Jazzkultur als Wissenskultur auseinandersetzten und untersucht Aspekte, wie die Wahrnehmung von Instrumentalistinnen in der österreichischen Jazzszene, den Umgang mit Handlungsmacht in- und außerhalb der Szene und die Handlungsfähigkeit in Schaffensräumen. Die historische und aktuelle Rolle österreichischer Jazzmusikerinnen soll basierend auf biografischen Werdegängen und der Analyse umfassender Daten zur Geschlechterverteilung von mica – music austria (einer nationalen, nicht gewinnorientierten Forschungs- und Ressourcenorganisation für Musikschaffende) untersucht werden. Eine breitere Perspektive umfasst nicht nur die Musik, sondern auch Aspekte der Performance, sowie den Jazzdiskurs in Musikzeitschriften. Mit besonderem Augenmerk auf Maßnahmen zur Sichtbarmachung von Instrumentalistinnen möchte ich die aktuelle Initiative „Gina Schwarz PANNONICA-Projekt“ des Instituts für Popularmusik der Universität für Musik und darstellenden Kunst Wien vorstellen.
Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft, sowie Doktoratsstudium der Philosophie an der Universität Wien. Seit 2013 Universitätsassistentin (prae doc / seit 2016 post doc) am Institut für Popularmusik der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (mdw), sowie Projektmitarbeiterin beim Forschungsprojekt „Performing Diversity“.
Als Mitinitiatorin des PopNet Austria Organisation des seit 2014 jährlich stattfindenden interdisziplinären Symposions zur Popularmusikforschung in Österreich. Leitung des künstlerisch-wissenschaftlichen Forschungsprojekts „Instrumentalistinnen und Komponistinnen im Jazz“ gemeinsam mit der Kontrabassistin Gina Schwarz. Zu den weiteren Forschungsschwerpunkten zählen unter anderem: Performativität in populären Musikformen, Gender und Queer Studies, Popularmusik in Österreich mit Schwerpunkt „Wien Pop“, New Jazz Studies.
12:15 Benjamin Burkhart, Weimar/Freiburg
Jazz und Feuilleton in Deutschland: Themen und Akteure
Abstract und Bio
Insbesondere durch die Diskussionen rund um den Echo Jazz und die Saxophonistin Anna-Lena Schnabel wurde dem Jazz im vergangenen Jahr breite mediale Aufmerksamkeit zuteil. Wenngleich sich die Feuilletons der hiesigen ‚Qualitätsmedien‘ der Thematik bereits seit längerer Zeit regelmäßig widmen, existieren bislang nur wenige Publikationen, die die massenmediale und feuilletonistische Repräsentation des Jazz im deutschsprachigen Raum behandeln (vgl. Hoffmann 2012; Köchl 2012; Linke 2012). Ziel des Beitrages ist es, die Themen des feuilletonistischen Jazzdiskurses in Deutschland durch die qualitativ empirische Auswertung ausgewählter Texte aus den Onlineangeboten der Zeitungen Die Zeit, FAZ und Süddeutsche Zeitung sowie dem Magazin SPIEGEL zu rekonstruieren. Um einen möglichst aktuellen Einblick zu generieren, wird sich die Auswertung auf die ersten beiden Quartale des laufenden Jahres konzentrieren. Neben der zentralen Frage, über was hierbei berichtet wird, ist ferner von Interesse, wer im Feuilleton über Jazz schreibt. Demzufolge sollen soziodemografische Informationen über die Autoren in den Forschungsprozess einfließen, sofern diese zugänglich sind – beispielsweise auf persönlichen Websites der Journalisten. Die zentralen Fragen lauten: Berichtet das Feuilleton primär über internationale, vorwiegend US-amerikanische Musiker und über kanonische ‚Altmeister‘? Stehen zeitgenössische musikalische Strömungen oder etablierte Spielweisen im Mittelpunkt? Welche Rolle spielen Musiker aus den deutschsprachigen Ländern, welche die weiblichen Jazzmusikerinnen? Lassen sich Bezüge zum Jazzdiskurs herstellen, wie er in der spezialisierten Fachpresse geführt wird (vgl. Pfleiderer/Zaddach 2014)? Wer sind die Autoren, die im Feuilleton über Jazz berichten? Der Beitrag soll zeigen, mit welchen Schwerpunkten die massenmediale ‚Geschmacksinstanz‘ Feuilleton den Themenkomplex Jazz behandelt und folglich dessen öffentliche Wahrnehmung prägt.
Bibliografie
Hoffmann, Bernd (2012). „Spieglein, Spieglein an der Wand. Präsentationen des Jazz in deutschsprachigen Medien“. In: Wolfram Knauer (Hg.), Jazz. Schule. Medien (= Darmstädter Beiträge zur Jazzforschung 12). Hofheim: Wolke, S. 159–174.
Köchl, Reinhard (2012). „Jazzjournalismus heute: Ohne Anzeige keine Zeile?“ In: Wolfram Knauer (Hg.), Jazz. Schule. Medien (= Darmstädter Beiträge zur Jazzforschung 12). Hofheim: Wolke, S. 191–202.
Linke, Hans-Jürgen (2012). „Alltagsraunen. Über inhaltliche Fragen, Jazz in der Tagespresse, Feuilleton-Betrieb und andere langsam veraltende Probleme“. In: Wolfram Knauer (Hg.), Jazz. Schule. Medien (= Darmstädter Beiträge zur Jazzforschung 12). Hofheim: Wolke, S. 175–190.
Pfleiderer, Martin/Zaddach, Wolf-Georg (2014). „Der gegenwärtige Jazzdiskurs in Deutschland. Versuch einer empirischen Rekonstruktion anhand von Jazzzeitschriften“. In: Wolfram Knauer (Hg.), Jazz Debates / Jazzdebatten (= Darmstädter Beiträge zur Jazzforschung 13). Hofheim, Wolke: S. 61–92.
Benjamin Burkhart studierte Musikwissenschaft/Ethnologie an der Universität Würzburg (B.A.) sowie Musikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Jazz- und Popmusikforschung an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar (M.A.). Seit 2015 ist er Doktorand in Weimar, gefördert durch ein Promotionsstipendium der Ernst-Abbe-Stiftung.
Mittagspause
METHODEN
14:30 Michael Kahr, Graz
Zur historischen Entwicklung der deutschsprachigen Jazzforschung. Wissenschafts- und kulturgeschichtliche Rahmenbedingungen in der Stadt Graz
Abstract und Bio
Die Aktivitäten und Publikationen der internationalen Gesellschaft für Jazzforschung IGJ und des Instituts für Jazzforschung an der heutigen Universität für Musik und darstellende Kunst Graz werden häufig als einflussreiche Faktoren für den Entstehungsprozess der wissenschaftlichen Jazzforschung im deutschsprachigen Raum genannt.
Dieser Vortrag bietet Einblicke in die spezifischen wissenschaftsgeschichtlichen Rahmenbedingungen in der Stadt Graz und deren Wechselwirkung mit dem Auf- und Ausbau, der Struktur und der internationalen Positionierung der Institute für Jazz und Jazzforschung. Im Fokus stehen die Forschungsprogrammatik der Grazer Jazzforschung und deren Wandel, sowie die soziokulturelle Situation der Nachkriegszeit, die daraus resultierende kulturpolitische Ausrichtung der Stadt Graz in den 1960er und 1970er Jahren, sowie hochschulpolitische Maßnahmen und individuelle Initiativen von Einzelpersonen. Die Untersuchung der 1980er und 1990er Jahre zeigt die Auswirkungen der sich verändernden Medienlandschaft und die zunehmende Institutionalisierung, Professionalisierung und Internationalisierung des Jazz und der Jazzforschung in Graz.
Die Studie basiert auf der Auswertung von umfangreichen Schriftquellen aus institutionellen und privaten Archiven und den Erinnerungen von Zeitzeugen. Diese Arbeiten waren Teil des Forschungsprojekts „Jazz & the City: Identität einer Jazz(haupt)stadt“, das vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF unterstützt und von 2011 bis 2013 an den Instituten für Jazz und Jazzforschung in Graz durchgeführt wurde. Eine wesentliche Publikation aus dem Projekt ist die kürzlich veröffentlichte Monografie Jazz in Graz von 1965 bis 2015 (Graz: Leykam 2016), in der die Jazzentwicklung in Graz strukturiert und detailreich nachgezeichnet wird. Parallel dazu wurde die CD „Jazz & the City (and me…)“ (Alessa Records 2016) veröffentlicht, die – im Sinne der künstlerischen Forschung – eine Annäherung an praxis-basierte Wissensformen in der Grazer Jazzgeschichte darstellt und einen noch jungen Forschungsansatz am Institut für Jazzforschung repräsentiert.
Michael Kahr ist Jazzpianist, Komponist/Arrangeur und Jazzforscher. Er arbeitet als Senior Lecturer an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Graz und ist Mitglied im Vorstand der Internationalen Gesellschaft für Jazzforschung (IGJ). Weitere Lehraufträge an den Universitäten Wien, Salzburg und Sydney. Er veröffentlichte die Monografie Jazz & the City: Jazz in Graz von 1965 bis 2015 (Leykam, 2016) und Aufsätze zur Jazzgeschichte, -theorie, -analyse und künstlerischen Forschung in internationalen Fachjournalen und als Buchkapitel bei internationalen Verlagen. Derzeit arbeitet er an der Herausgabe eines Sammelbandes zur Thematik Artistic Practice as Research in Jazz – Positions, Theories, Methods. Kahr veröffentlichte zahlreiche CDs und verzeichnet Auftritte bei internationalen Festivals und in Jazzclubs.
15:15 Martin Pfleiderer, Weimar
New Bottles, Old Wine? ‚New Jazz Studies‘ und die Jazzforschung heute
Abstract und Bio
In den 1990er Jahren ist in den USA eine Richtung der Jazzforschung entstanden, die sich ‚New Jazz Studies‘ nennt. Bezeichnend für die ‚New Jazz Studies‘ ist eine interdisziplinäre Hinwendung zu kulturwissenschaftlichen Ansätzen aus den Literatur-, Film- und Medienwissenschaften und den Gender Studies sowie zu Fragen der Jazzgeschichtsschreibung, der Rezeption von Jazz in verschiedenen kulturellen Kontexten und nach dem transkulturellen Charakter des Jazz. Der Vortrag möchte die Programmatik und die Resultate der ‚New Jazz Studies‘ einer kritischen Prüfung unterziehen: Welche Brüche, welche Kontinuitäten bestehen zwischen den ‚Old Jazz Studies‘ und den ‚New Jazz Studies‘? Wo liegen die Errungenschaften der ‚New Jazz Studies‘, wo ihre blinden Flecke? Wie lassen sich ihre Fragestellungen mit anderen Richtungen der Jazzforschung sinnvoll kombinieren?
Martin Pfleiderer (*1967) studierte Musikwissenschaft, Philosophie und Soziologie an der Universität Gießen und wurde dort 1998 mit einer Arbeit zur Rezeption asiatischer und afrikanischer Musik im Jazz der 1960er und 1970er Jahre promoviert. Von 1999 bis 2005 war er wissenschaftlicher Assistent für systematische Musikwissenschaft am musikwissenschaftlichen Institut der Universität Hamburg, wo er sich 2006 mit einer Arbeit zum Rhythmus in populärer Musik habilitierte. Seit 2009 ist er Professur für Geschichte des Jazz und der populären Musik am Institut für Musikwissenschaft Weimar-Jena sowie wissenschaftlicher Leiter des Lippmann+Rau-Musikarchivs in Eisenach. Seine Forschungsinteressen liegen u.a. in den Bereichen Jazz und afroamerikanische Musik, Rhythmus, populärer Gesang, Improvisation, Musiksoziologie und Musikästhetik.
Kaffeepause
16:30 Wolfram Knauer, Darmstadt
Eric Dolphy, „Out to Lunch“. Eine detektivische Spurensuche
Abstract und Bio
Im Jahr 2014 erhielt die Library of Congress eine faszinierende Sammlung mit Notenskizzen des 1964 verstorbenen Saxophonisten, Bassklarinettisten, Flötisten und Komponisten Eric Dolphy. Die Schachteln enthielten Übehefte, Transkriptionen aller Art (von Bach über Charlie Parker bis hin zu Vogelstimmen), aber auch die einzelnen Stimmen, die Dolphy für die Aufnahme des legendären Albums „Out to Lunch“ benutzt hatte.
Wolfram Knauer durfte einen Einblick in diese Notenhefte nehmen und vergleicht sie mit den Aufnahmen, aber auch mit den Lead Sheets der Titel, die in der Urheberrechtsabteilung der Library of Congress lagern. All diese Dokumente erklären viel über Dolphys Musik, werfen dabei aber mindestens genauso viele Fragen auf. Mit einigem detektivischen Spürsinn kommt man den Antworten auf einige dieser Fragen die Spur, während bei anderen nur Spekulationen bleiben. Die Notenskizzen in der Library of Congress erlauben zusammen mit dem Höreindruck der Stücke des Albums einen spannenden und auch für den Kenner überraschenden Blick in die Werkstatt Eric Dolphys; sie sind gleichermaßen Ausgangspunkt zu Überlegungen über Schriftlichkeit und Improvisation im Jazz und dem musikwissenschaftlichen Umgang mit beiden.
Wolfram Knauer leitet seit 1990 das Jazzinstitut Darmstadt, lehrte daneben an mehreren deutschen Hochschulen und Universitäten. Er hat diverse Bücher veröffentlicht, zuletzt Biographien über Louis Armstrong, Charlie Parker und Duke Ellington (alle im Reclam-Verlag). Im Frühjahr 2008 lehrte er als erster nicht-amerikanischer Louis Armstrong Professor of Jazz Studies an der Columbia University in New York.
17:15 Klaus Frieler, Weimar/Hamburg
Linienkonstruktionen in Jazzsoli. Taxonomie, Vokabular und Grammatik
Abstract und Bio
Schnelle und flüssige Linien sind ein definierendes Merkmal der Jazzsoloimprovisation spätesten seit der Etablierung von Bebop. Wie in einer vorherigen Studie gezeigt werden konnte (Frieler et al. 2016), nehmen Linien in den Solos des Bebop und der darauf aufbauenden Stilen den größten Raum ein. Sie signalisieren Virtuosität und geistige Beweglichkeit des Solisten und erfüllen so auch spezifische soziale Funktionen jenseits der Gestaltung einer musikalischen Oberfläche. Im Referat soll auf Basis der Solotranskriptionen in der Weimar Jazz Database (Pfleiderer 2017) der Frage nachgegangen werden, wie Jazzsolisten melodische Linien im Sinne des Bebop improvisieren. In einem ersten Schritt, wird eine Taxonomie von Linien in Bezug auf tonale Gestaltung und melodische Konturen entwickelt, als Erweiterung einer Methode, die in einer Fallstudie zu Bob Bergs Solo über „Angels“ skizziert wurde (Frieler 2017). Als nächstes soll die Rolle melodischer Patterns bei der Konstruktion von schnellen Linien untersucht werden. Überlernte Motorpatterns können zwar sehr dabei helfen, die kognitive Belastung zu reduzieren, bringen aber das Problem mit sich, dass diese Patterns entweder dem tonalen Kontexten angepasst oder entsprechend passend ausgewählt werden müssen. Dazu soll eine probabilistische Grammatik von Linien aufgestellt werden (das “Weimar Bebop Alphabet”), welche die Spezifika der Konstruktion von Beboplinien erfasst und deren Grundelemente nicht einzelne Töne, sondern Typen von Tongruppen sind, die leicht den tonalen Gegebenheiten passend ausgewählt werden können und die vermutlich auch konstitutiv für die gespielten Patterns sind. In einem letzten Schritt sollen damit algorithmisch Linien generiert werden, die erlauben, die Angemessenheit der Grammatik zu demonstrieren und zu evaluieren.
Literatur
Frieler, Klaus. 2017. “Bob Berg’s Solo on ‘Angles.’” In Inside the Jazzomat. New Perspectives for Jazz Research., edited by Martin Pfleiderer, Klaus Frieler, Jakob Abeßer, Wolf-Georg Zaddach, and Benjamin Burkhart, 41–84. Mainz: Schott-Campus. http://schott-campus.com/jazzomat/.
Frieler, Klaus, Martin Pfleiderer, Jakob Abeßer, and Wolf-Georg Zaddach. 2016. “Midlevel Analysis of Monophonic Jazz Solos. A New Approach to the Study of Improvisation.” Musicae Scientiae 20 (2): 143–62.
Pfleiderer, Martin. 2017. “The Weimar Jazz Database.” In Inside the Jazzomat. New Perspectives for Jazz Research., edited by Martin Pfleiderer, Klaus Frieler, Jakob Abeßer, Wolf-Georg Zaddach, and Benjamin Burkhart, 41–84. Mainz: Schott-Campus. http://schott-campus.com/jazzomat/.
Klaus Frieler studierte Physik und promovierte in Systematischer Musikwissenschaft über „Mathematik und kognitive Melodieforschung.“ Seit 2000 ist er als freiberuflicher Softwareentwickler, seit 2005 auch als Musikgutachter und wissenschaftlicher Berater tätig. Von 2008-2012 arbeitete er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Lehre in Systematischer Musikwissenschaft an der Universität Hamburg und anschließend drei Monate als Post-Doc Forscher am Centre for Digital Music, Queen Mary College, University of London. Seine Hauptforschungsgebiete sind mathematische und statistische Methoden in der Musikpsychologie, Kreativität in Jazz und Popmusik sowie Intonation beim Singen. Klaus Frieler ist zudem als Bassist und Schlagzeuger in verschiedenen Bandprojekten aktiv.
Samstag, 22. September
PERSPEKTIVEN
9:30 Nico Thom, Lübeck
Aktuelle Curricula von Jazz-Studiengängen in Deutschland. Eine Untersuchung im Grenzbereich zwischen Jazz- und Hochschulforschung
Abstract und Bio
Im Rahmen des Referates werden Ergebnisse einer umfangreichen Studie vorgestellt. Während des Sommersemesters 2017 wurden die Curricula aller Jazz- (und Popmusik-) Studiengänge in Deutschland eruiert. Im Fokus standen dabei ausschließlich künstlerische und künstlerisch-pädagogische Bachelor und Master, das heißt praxisorientierte und nicht wissenschaftliche Studiengänge. Anschließend erfolgte eine detaillierte Auswertung.
Methodisch handelt es sich um eine empirische Vollerhebung, bei der relevante Dokumente wie Studien- und Prüfungsordnungen, Modulhandbücher und Studienverlaufspläne untersucht worden sind. Die theoriegeleitete Textanalyse (Mayring) stützte sich auf systemtheoretische Kategorien (Luhmann).
Zum einen wurden die konkreten Inhalte der Studiengänge erfasst und gegliedert, zum anderen die Vermittlungsformen. Die Untersuchung ging also den Fragen nach, was und wie in deutschen Jazz-Studiengängen vermittelt wird.
Damit nähert sich die Studie dem Gegenstandsbereich Jazz aus der Perspektive der Hochschulforschung bzw. -didaktik. Durch diesen Ansatz können allgemeine Aussagen über die akademische Jazzausbildung in Deutschland getroffen werden, so wie sie sich in den Curricula darstellt. Dabei werden inhaltliche und formale Trends sichtbar.
So ist bspw. die enge Verquickung von Jazz- und Popmusik in nahezu allen Studiengängen nachweisbar. Zudem sind Ähnlichkeiten bei der Gewichtung des instrumentalen bzw. vokalen Hauptfachs gegenüber den Nebenfächern erkennbar.
Indirekt geht aus dem Vergleich der Studiengänge hervor, was gegenwärtig in Deutschland unter einer idealtypischen Jazz-Ausbildung verstanden wird. Dadurch ergeben sich Anknüpfungspunkte zu weiterführenden Fragen: Wie waren früher Jazz-Studiengänge in der BRD und der DDR gestaltet? Was waren/sind die Inhalte und Vermittlungsformen von theorielastigen bzw. wissenschaftlichen Jazz-Studiengängen in Deutschland? Wie waren/sind akademische Jazz-Ausbildungen in anderen deutschsprachigen Staaten, in Europa oder in den USA organisiert und welche Inhalte wurden/werden dort vermittelt?
Nico Thom studierte Musikwissenschaft, Philosophie, Wissenschaftsmanagement und Hochschuldidaktik in Leipzig, Halle/Saale, Jena, Weimar, Oldenburg und Hamburg. Er forschte und lehrte an Hochschulen bzw. Universitäten in Leipzig, Klagenfurt (Österreich), Weimar, Rostock und Lübeck. Seit 2012 ist er an der Musikhochschule Lübeck tätig als Lokaler Koordinator im deutschlandweiten Netzwerk der Musikhochschulen für Qualitätsmanagement und Lehrentwicklung. Neben seinen Aktivitäten in Forschung, Lehre und Verwaltung agiert er als Jazzmusiker und Labelbetreiber.
10:15 Monika Herzig, Bloomington / Indiana (USA)
Jazz Pedagogy across Continents. A Case Study Comparison between Indiana University and the Jazz Institute Graz and Future Directions in Jazz Pedagogy Research
Abstract und Bio
In 1965, David Baker published an extensive article in Down Beat magazine entitled Jazz: The Academy’s Neglected Stepchild, documenting his vision for an ideal teacher of jazz as well as components of a jazz curriculum.[i] He argued for hiring competent professionals as teachers, who had the skills and background to share their expertise with the students rather than the currently available and socially acceptable weak section player. “Why the almost systematic exclusion of qualified Negro jazzmen from collegiate and clinic jazz programs?,” He asked, referring to the stereotypes of the Negro jazz musician as junkie, drunk, irresponsible, generally inarticulate and undesirable and the resulting play-it-safe policy in which the student suffers. Furthermore, Baker suggested the components of an effective jazz curriculum as courses in theory, history, style analysis of the works of great jazz composers, arrangers, and players, as well as improvisation. He even asked for a conference for jazz teachers, potential jazz teachers, and jazz names as a means for improving the quality of teaching through exchange of ideas and strategies (Baker 1965: 29-32).
On January 1, 1965 the Jazzinstitut Graz started operations and the ‘”Two-Pillar-Theory” became a model for programs all over Europe. The “Grazer Model” included classical and technical training on the instrument as one pillar and classes in improvisation, theory and arranging, history, and style analysis as the second pillar (Kahr 2016). In accordance with Baker’s discussion on jazz as an academic stepchild, the initial leaders of the Graz program had to overcome perception barriers. David Baker joined Indiana University in 1966 and despite resistance from colleagues the Jazz Studies program was approved in 1968 (Herzig 2011). Leaders at both programs reported the need to create teaching materials and a wealth of jazz pedagogy publications documents the quest. While the curricula at both programs were very similar in terms of course content, Baker’s call for inclusion of the competent professionals as teachers, specifically African-American leaders of the art form remains.
This study provides a case analysis of the two programs as a basis for comparing pedagogy approaches and teaching materials across continents as well as establishing future directions for research in jazz pedagogy tackling the following questions:
— Are Afro-American traditions and roots integrated in current jazz pedagogy?
— How do teaching approaches and resources compare across continents?
— How do curricula compare across continents?
— How do social and economic influences such as tuition costs, Government support for the Arts, career opportunities, and social norms influence the curricula past, present, and future?
— In what ways do similarities and differences in jazz pedagogy across continents influence approaches to jazz research across continents?
Bibliography:
Baker, David. Jazz. The Academy’s Neglected Stepchild. Down Beat, 32/20 (September 22, 1965), p. 29-32.
Herzig, Monika. David Baker – A Legacy in Music. IU Press, Bloomington: 2011.
Kahr, Michael. Jazz & the City. Jazz in Graz von 1965 bis 2015. Leykam, Graz: 2016.
Monika Herzig holds a Doctorate in Music Education with minor fields in Jazz Studies from Indiana University where she is a Senior Lecturer in Arts Administration. She teaches courses on the Music Industry, Programming, and Arts Entrepreneurship. Her research focus is on jazz as a model for creativity and entrepreneurship with recent publication of her grant-supported project “The Jazz Jam Session Model for Group Creativity and Entrepreneurship” in the Music and Entertainment Industry Educators Journal (MEIEA). She is also the author of David Baker – A Legacy in Music, published in 2011 by IU Press and Experiencing Chick Corea with Rowman & Littlefield, 2017.
As a touring jazz artist, she has performed at many prestigious jazz clubs and festivals, such as New York’s Birdland and Zinc Bar, Manchester Craftsmen Guild, Jazz Kitchen, Nighttown, to name just a few. Groups under her leadership have toured Germany, opened for acts such as Tower of Power, Sting, the Dixie Dregs, Yes, and more.
She has released more than a dozen CDs under her leadership on her own ACME Records as well as Owl Studios and Whaling City Sound. Her awards include a 1994 Down Beat Magazine Award for Best Original Song, a Jazz Journalist Association Hero 2015 award, as well as grants from the NEA, the Indiana Arts Commission, MEIEA, among others. Her newest project “SHEROES” (Whaling City Sound) features the world’s leading female jazz instrumentalists including Leni Stern, Jamie Baum, Jennifer Vincent, Rosa Avila, Mayra Casales, Reut Regev, Ada Rovatti, and Ingrid Jensen. Thomas Garner from Garageradio.com writes, “I was totally awed by the fine musicianship throughout”.
More info and sound samples at www.monikaherzig.com
Kaffeepause
11:30 Michael Keul, München
Projekt zur Geschichte von „Charlie and his Orchestra“ . Anmerkungen zu einem Stück ‚angewandter‘ Jazzgeschichte in Deutschland
Abstract und Bio
Im Mai 2015 wurde in München das neue NS-Dukomentationszentrum am Königsplatz eröffnet. Da die Hochschule für Musik und Theater der direkte Nachbar ist, kam von der Leitung des NS-Dokuzentrums der Wunsch zur Erföffnung ein gemeinsames Projekt zu machen.
Vom Jazzinstitut der Hochschule kam der Vorschlag die Geschichte von „Charlie and his Orchestra“ in Wort, Bild und mit Live-Musik erstmalig im deutschen Sprachraum zu erzählen. Natürlich gab es zahlreiche Diskussionen, ob und wie man so eine Geschichte gerade wegen der heiklen Propagandatexte auf die Bühne bringen könne. Die Idee und das Konzept für das multimediale Projekt stammte vom Konzertveranstalter Peter Wortmann, der den Schlagzeuger Freddie Brocksieper und den Trompeter Charlie Tabor noch kannte, die beide während des 2. Weltkriegs in der Propaganda Band gespielten. Den Text zu dem Pojekt schrieb der Journalist und Historiker Oliver Hochkeppel.
Da kein Notenmatrial von den Originalarrangements existierte, wurde die Musik von Michael Keul, dem musikalischen Leiter des Projektes, von Schellackplatten transkribiert. Die Big Band des Jazzinstituts mit 14 Studierenden sowie zwei Sängern und einer Sängerin erarbeiten das musikalische Material. Die drei Sänger fungierten zudem auch als Erzähler der verbindenden Texte und es wurden Originalfotografien aus der Zeit auf die Bühne projeziert.
Die Proben für die Musik gestalteten sich sehr aufwendig da die Spielästhetik der damaligen Zeit natürlich für die Studierenden sehr fremd war. Interessant zu beobachten war die Tatsache, wie mit der Intensivierung des Probenverlaufs auch das Interesse der Studierenden an dieser sehr speziellen Thematik deutscher Jazzgeschichte stetig zunahm und daraus interessante Diskussionen entstanden.
Nach erfolgreicher Premiere im Mai 2015 entstand 2016 eine Hörfunkproduktion mit dem BR und im Juni 2018 ein Aufführung mit Studierenden der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien.
Kann ein Projekt dieser Art Modellcharakter haben für die Vermittlung jazzgeschichtlicher Inhalte?
Michael Keul studierte Schlagzeug an der Swiss Jazz School Bern bei Billie Brooks. Er spielte u.a. mit Chet Baker, Woody Shaw, Red Holloway, Scott Hamilton, James Moody, Charlie Mariano, Dusko Goykovich. Sein Spiel ist auf mehr als 50 CDs dokumentiert und er ist ein gefragter Dozent auf zahlreichen int. Jazz-Workshops und seit 2010 unterrichtet er an der Hochschule für Musik und Theater in München und betreut dort das Jazzarchiv.
12:15 Podiumsdiskussion: Künstlerisches Forschen im Jazz
‚Künstlerisches Forschen‘ – engl.: artistic research, practice research – ist seit geraumer Zeit ein viel diskutiertes Thema innerhalb der Musikerausbildung. Allerdings lässt das Konzept eines ‚künstlerischen Forschens‘ einige Fragen offen: Wie lauten die wissenschaftlichen Fragestellungen des ‚artistic research‘? Was sind ihre Methoden, was ihre Ergebnisse? Wer betreibt ‚artistic research‘ – Jazzmusiker oder auch und vor allem Jazzforscher? Und auf welche Weise können die Ergebnisse und Erkenntnisse des künstlerischen Forschungsprozesses dem Wissenschaftsdiskurs zugeführt werden? Bei der Podiumsdiskussion sollen diese und weitere Fragen zum ‚künstlerichen Forschen‘ in Bezug auf Jazz, Jazzausbildung und Jazzforschung diskutiert werden. Dabei werden die Teilnehmer auch von ihren eigenen Erfahrungen mit künstlerischen Forschungsprojekten berichten.
Teilnehmer:
Monika Herzig, Indiana University, Bloomington
Michael Kahr, Hochschule für Musik und Theater in München
Michael Keul, Universität für Musik und darstellende Kunst in Graz
Wolfgang Bleibel, Institut für Jazz, HfM Weimar
Frank Möbus, Institut für Jazz, HfM Weimar
Moderation: Martin Pfleiderer
Rahmenprogramm
Donnerstag, 20. September, 14-19 Uhr, hzh, SR 1
Workshop Jazzomat: Computergestützte Methoden der Jazzanalyse
Klaus Frieler & Frank Höger Weimar/Hamburg
Computergestützte Methoden der Jazzanalyse ermöglichen es u.a., Fallstudien durch statistische Auswertungen und Visualisierungen anzureichern, umfangreiche Korpusstudien durchzuführen oder gezielt nach Patterns zu suchen. In dem halbtägigen Workshop soll anhand von Beispielen in diese Möglichkeiten eingeführt werden. Grundlage sind die im Rahmen des Jazzomat Research Project entwickelte Software MeloSpyGUI und die digitale Transkriptionssammlung der Weimar Jazz Database. Beide stehen zum freien Download bereit unter http://jazzomat.hfm-weimar.de.
Weiterführende Informationen und das Programm finden Sie hier.
Begrenzte Teilnehmerzahl, wir bitten um Voranmeldung unter:
jazzomat@hfm-weimar.de
Freitag, 21. September, 21 Uhr
Jam Session im Kasseturm e.V.
Oberer Saal, Goetheplatz 10, 99423 Weimar
Samstag, 22. September, 16-18 Uhr
Exkursion zum Lippmann+Rau-Musikarchiv
Alte Mälzerei, Palmental 1, Eisenach
Voranmeldung unter: jazzforschung@hfm-weimar.de
Das Lippmann+Rau-Musikarchiv wurde 1999 unter dem Namen „International Jazz Archive Eisenach“ gegründet und 2009 „Lippmann+Rau-Musikarchiv“ umbenannt, da sich die Sammlungsbestände inzwischen über den Jazz hinaus auf das gesamte Spektrum der populären Musik erweitert hatten. Die Namen der Konzertveranstalter Horst Lippmann (1927-97) und Fritz Rau (1930-2013), die in den 1960er, 70er und 80er Jahren gemeinsam die Konzertagentur „Lippmann+Rau“ betrieben haben, stehen für ein nach allen Seiten offenes Verständnis von Jazz und populärer Musik.
Das Archiv beherbergt zahlreiche Sammlungen, u.a. von Günter Boas, Siegfried Schmidt-Joos, Fritz Marschall, Rainer Bratfisch und Kurt Müller (Teilnachlass Benny Goodman), mit unzähligen Tonträgern (Schellack-Platten, LPs, CDs, Tonbänder, Musikkassetten) und Filmen, mehr als 60.000 Büchern und Musikzeitschriften, etwa 60.000 Photographien, Programmhefte und Konzertplakate sowie zahlreiche Musikinstrumente, Rundfunkmanuskripte und Briefe. Die einzelnen Sammlungen bleiben in der Regel als geschlossene Einheiten erhalten und haben ihren je eigenen Platz in den atmosphärischen Archivräumen in der Alten Mälzerei.